08.11.2018 campus-leben

Der angenehme Knick im Gehirn

Ink Press am mediacampus

Nur selten hat mich eine Abendveranstaltung so tief beseelt und beglückt zurückgelassen wie die Veranstaltung mit dem Schweizer Verlag Ink Press am 8. November 2018. Aber der Abend ließ auch einige Fragen über die Verlegerin Susanne Schenzle und ihre Verlagskollegin und Übersetzerin der «Bulgarischen Reihe» Viktoria Dimitrova Popova offen. Nämlich: Was sind das nur für Menschen? Und: Wo kommen solche Menschen bloß her?

Dass die beiden den Weg aus Zürich auf sich genommen haben, um ihren Verlag bei uns am Campus vorzustellen, ist zweifelsohne eine große Besonderheit. Aber das meine ich nicht.

Ich meine vielmehr: Wo kommen Menschen her, die mit so einer feinen Sensibilität und Intuition für Literatur, Ästhetik, Inhalte und andere Menschen ausgestattet sind? Wo kommen solche was-ich-hier-tue-mit-so-einem-kleinen-und-speziellen-Verlag-in-dieser-großen-unberechenbaren-Welt-ist-doch-Irrsinn-und-genau-deswegen-muss-ich-kann-ich-will-ich-nichts-anderes-tun-Menschen her? Wo kommen Menschen her, die so entflammt für ihr Tun sind und sich dennoch selbst nicht so wichtig nehmen? Kurzum: Wo kommen solche Herzensmenschen her?

Zurück zum Abend. Was geschah? Schenzle und Popova kommen in die Piper-Lounge, freuen sich diebisch über unseren mediokren Automaten-Cappuccino (spätestens da sind sie mir schon ungemein sympathisch) und beginnen besonnen mit ihrer Verlagsvorstellung.
Susanne Schenzle trägt in angenehm ruhigen Worten und noch ruhigerer Stimme vor, wie sie nach Stationen bei Ammann und Secession zu ihrem besonderen Verlag gekommen ist. Zwischendrin blitzt sie die Auszubildenden immer wieder mit warmen, von Lachfältchen umspielten Augen an. Danach spricht Popova kurz über ihre Arbeit an den Übersetzungen der «Bulgarischen Reihe» bei Ink Press und liest aus dem jüngst bearbeiteten Roman «Luizza Hut» von Toma Markov – ein Titel, der zur Zeit der Veranstaltung gerade erst gesetzt wird und am 7. Dezember bei Ink Press erscheinen soll, in dem Markov von einer für ihn idealen bulgarischen Postpunk-Band erzählt, die es so nie gab.

Und was geschieht dann? Das ist wirklich schwer zu beschreiben. Popova liest auf Bulgarisch, sie liest auf Deutsch. Sie liest in irrem Tempo von Luizza H., einem Affen, der wie Sid Vicious aussah, Swarovski-Schildkröten, Karl Lagerfeld, Klavieren, die man wie Schlagzeuge spielt, Arschgesichtern, Schwänzen an der Wand und Punk mit vielen Gesichtern.

Beide Frauen beantworten Fragen, so viele Fragen. Und Popova liest noch mehr, weil die Auszubildenden noch mehr und immer noch mehr wollen. Viele Worte. Noch mehr Emotionen.

Nach dem offiziellen Teil möchten die Auszubildenden nicht gehen und tun es deswegen auch nicht. Und Susanne Schenzle und Viktoria Dimitrova Popova gehen nicht. Und ich gehe nicht, obwohl es mittlerweile zwölf Uhr nachts ist. Weil auch ich nicht will, weil ich mich nicht loseisen kann. Wo kommen solche Menschen her? Wo kommen solche Frauen her? Warum gibt es nicht mehr davon? Und: Welches Glück, solchen Menschen einmal im Leben begegnet zu sein.

Liebe Frau Schenzle, liebe Frau Popova, bitte kommen Sie bald wieder!

Lieber Leser, wenn Sie mich fragen würden, welchem Verlag ich in Zukunft den größten Erfolg wünsche? Genau diesem.

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