Takis Würger im Interview
Über Unschuld, Fantasy und das Schreiben
Am 14.11.2022 war Takis Würger für eine Abendveranstaltung hier am Campus zu Gast, um seinen neuen Roman «Unschuld» vorzustellen (dank einer gewissen Pandemie leider immer noch nur digital) – das ist aber nur das Ende der Geschichte. Alles begann damit, dass ich mich auf der Frankfurter Buchmesse zu einer Veranstaltung gesetzt habe, bei der unter anderem er interviewt wurde. Während ich auf dem Campus war, hätte er in «meiner» Buchhandlung gelesen und so dachte ich, bekomme ich wenigstens noch ein bisschen Live-Lesungs-Feeling mit. Nach der Veranstaltung entschloss ich mich dann spontan dazu, mir mein Buch signieren zu lassen. Wir kamen kurz ins Gespräch und als er mein Azubistro-Namensschild bemerkte, fing er relativ enthusiastisch an vom Campus zu schwärmen, dass er da gerne mal wieder lesen würde und ob ich das nicht organisieren / weitergeben könnte. Da ich seine Romane immer gern gelesen habe und er (ob man sein Geschriebenes nun mag, oder nicht, man kann es schwer abstreiten) einen gewissen Unterhaltungswert mitbringt, war ich dem natürlich nicht abgeneigt und habe das Ganze an Frau Pfeiffer weitergegeben. Vielen Dank an der Stelle nochmal für die eigentliche Organisation – denn ein paar Wochen später fand die Abendveranstaltung dann tatsächlich auch statt!
Gesprochen hat er über seinen neuesten Roman «Unschuld». In diesem geht es um Molly, deren Vater seit Jahrzehnten im Gefängnis sitzt und dem die Todesstrafe droht, weil er angeblich einen Jungen ermordet haben soll. Doch Molly glaubt an die Unschuld ihres Vaters und lässt sich auf dem Anwesen der (unfassbar reichen) Familie des toten Jungen einstellen, um die Wahrheit herauszufinden. Meiner Meinung nach eine sehr spannende und kurzweilige Geschichte!
Auch wenn alles online war, bin ich mir sicher, dass viele von uns sehr gut unterhalten waren und Takis die Begeisterung für sein Buch definitiv weitergeben konnte. Nach der regulären Veranstaltung durfte ich ihm noch ein paar Fragen zu seinem Buch, seinem Autorendasein und seinen vorherigen Romanen stellen. Was er darauf geantwortet hat, könnt ihr im Folgenden nachlesen. Viel Spaß!
Felicitas Bär: Du warst ja eigentlich Journalist – wie kam es dann zu der Entscheidung, sich voll aufs Autor sein zu konzentrieren? Sind Bücher cooler als Artikel?
Takis Würger: Das würde ich nicht sagen, das ist einfach eine Frage der Präferenz. In meinem Fall ist das so, dass ich mal gucken wollte, was so schriftstellerisch möglich ist, wenn ich mich nur darauf konzentriere. Weil ich glaube, so ein Roman braucht schon eine Tiefe, eine Konzentration, die nicht möglich ist, wenn man parallel noch was anderes macht und irgendwie ein Interview führt oder recherchiert und so weiter. Und ich wollte nicht in der Situation landen, dass ich irgendwann sagen muss, hätte ich mich mal voll drauf konzentriert – dann wäre xyz passiert. Und deshalb habe ich mich dazu entschlossen. Gut, ich muss auch sagen, es macht mir auch im Moment am meisten Spaß, Schriftsteller zu sein. Also Spaß klingt immer so blöd, aber ich finde da die meiste Erfüllung drin und deswegen mache ich das.
F: Wobei ich ja sagen muss, die Bücher haben schon immer einen Wahrheitsgehalt, die sind nie komplett fiktiv. Ist das wichtig für dich? Warum zum Beispiel kein Fantasy Buch?
T: Also ich find Fantasy ganz geil – ist nicht so, dass ich Fantasy nicht mögen würde – aber ich glaube ich fühle mich am wohlsten, wenn es etwas gibt in der Wirklichkeit, woran ich mich festhalten und orientieren kann und darauf basierend dann eine fiktive Geschichte erzählen. Und das kann vielleicht auch mal Fantasy werden, ich müsste dann mal gucken, ob ich das hinkriegen würde – ich hab tatsächlich grade mit extrem großer Begeisterung das neue Herr der Ringe und das neue Game of Thrones geguckt…
F: Also da muss ich sagen, bist du der Erste von dem ich das höre. Ich habe bisher nur extrem viel Hate gegen das neue Herr der Ringe gehört…
T: Ich habe auch massiv viel Hate gehört und erlebt auch gegen diese beiden Serien, aber ich hab sie alle immer am Tag des Erscheinens mir reingezogen und war glücklich. Also ich wünschte, ich könnte gleich noch eine Folge Ringe der Macht schauen.
F: Aber zurück zum Schreiben. Warum schreibst du eigentlich? Ist das von Dir aus, weil du irgendwas loswerden möchtest, oder willst du unbedingt, dass die Leute, die das lesen, etwas Bestimmtes erfahren?
T: Also es hat verschiedene Aspekte, einer ist, dass mir der Prozess des Schreibens Freude bereitet, das macht einfach Spaß. Es ist einfach sehr lustig-
F: Lustig?
T: Ja lustig – ich muss ganz oft lachen, also laut lachen, wenn ich das schreibe. Aber dann gibt es schon auch Dinge, das ist vorhin schon ein bisschen angeklungen, bei der Frage wie man eine Schreibblockade überwindet (Anmerkung: Die Frage wurde während der Abendveranstaltung gestellt) und als ich gesagt habe, ich glaube es ist wichtig, kleine Schritte zu machen und dass diese Schritte aber eben nach vorn führen sollten. Und das sind so Dinge -zum Beispiel jetzt in Unschuld: Da macht Molly das ja. Und man kann die Dinge, die einem wichtig sind, transportieren über so eine Geschichte. Und das finde ich, ist ein großes Geschenk, wenn es dann auch Leute gibt, die einem dann zuhören wollen.
F: Das stimmt. Das geht mir auch bei deinen Büchern immer so, man ist so schnell in den Charakteren drin, dass man unbedingt weiterlesen will und wissen will, wie es mit denen weitergeht. Ist Molly eigentlich in Amerika (er erzählte zuvor, dass er für das Buch mehrere Monate tatsächlich in dem Ort Rosendale in Amerika gelebt hat) entstanden, oder gab es die schon vorher?
T: Nene, die ist tatsächlich in Rosendale entstanden. Und das ist auch fast ein bisschen gemein, weil ich hab mich gefragt: Wer hätte die größten Probleme, diesen Fall zu lösen? Und so ist Stück für Stück Molly entstanden. Mit dem Stottern, das kommt daher, dass jemand der mir sehr nahesteht, stottert und ich habe immer gedacht, dass ist so ein Riesenproblem. Aber wenn man sich dann mal intensiv mit jemandem unterhält, der oder die darunter leidet, dass sie stottert, dann relativiert sich das sehr schnell. Und Molly ist dann im Grunde aus verschiedenen Inspirationsquellen zusammengeflossen.
F: Und woher kam die Huntington Krankheit? Ich mein, ich habe davor noch nie davon gehört, das ist ja jetzt nichts, worüber man täglich liest.
T: Ich auch nicht. Mir hat eine Freundin, die Ärztin ist, davon berichtet, wie sie diese Diagnose gestellt hat und da kannte ich die auch nicht, die Krankheit. Und dann hat meine Freundin mir erklärt, was diese Krankheit genau ist und dass es im Grunde genommen einer Strafe Gottes gleicht, darunter zu leiden. Ich habe mich dann im Zusammenhang mit dieser ganz persönlichen Geschichte intensiver damit beschäftigt, dann auch mit der deutschen Huntington Hilfe gesprochen und mich da eingearbeitet. Und auch da – einerseits ist das ein Teil der Geschichte – ein Teil der Geschichte, der das Buch spannend macht und gleichzeitig finde ich es auch schön, wenn Leute erfahren, dass es diese Krankheit überhaupt gibt. Und, dass da ein bisschen Aufklärung stattfindet.
F: Ich fand das auch schön, wenn man das so sagen kann. Es war irgendwie wichtig, aber jetzt nicht superwichtig für den Hauptplot an sich. Aber es war trotzdem etwas, was man mitgenommen hat und immer unterschwellig da war. Ich habe immer nebenher noch an diesen Brief gedacht – liest sie ihn oder nicht, wird man es ihr sagen, oder nicht?
T: Ja genau. Schön!
F: Vielleicht noch zwei Fragen, die nichts direkt mit «Unschuld» zu tun haben: Ich habe mich nämlich bei «Der Club» gefragt – da stand ja auch, dass du selbst in solchen Clubs warst, oder auch immer noch drin bist. Und der Club war jetzt ja nicht unbedingt – ich sag mal positiv, hat kein tolles Bild darauf geworfen. Also warum bist du da drin?
T: Naja, ich bin da praktisch drin gewesen. Also ich bin aber seit «der Club» erschienen ist, nicht in eines dieser Clubhäuser gegangen. Und ich glaube, ich würde auch nicht reinkommen.
F: Ist es gefährlich darüber zu schreiben? Es klingt irgendwie so.
T: Nö, ist es nicht. Also das Buch ist ja dann auch irgendwie fiktionalisiert und krasser als die Wirklichkeit. Aber ne, gefährlich ist das nicht. Und was ich tue in diesem Roman, ist auch Snobismus zu kritisieren, aber das tue ich auch aus voller Überzeugung.
F: Dann komme ich auch schon zu meiner letzten Frage. Das frage ich mich nämlich immer bei Autor:innen und jetzt kann ich die Frage endlich mal stellen: Hörst du eigentlich Musik beim Schreiben oder auch Lesen?
T: Ne. Also tu ich echt überhaupt nicht. Ich hör ab und zu mal was, was mich so inspiriert und was ich schön finde, aber ich bin total konzentriert, wenn ich schreibe und kann da nicht noch was anderes. Ich mach mein Handy aus, manchmal mach ich mein Wlan aus, sonst würde ich vielleicht auf die Idee kommen in mein E-Mail-Postfach zu gehen – und ich höre definitiv keine Musik. Also ich hab einen Großteil dieses Romans «Unschuld» auf einem Hochsitz an der Nordsee geschrieben.
F: Ok wow, ja. Das ist wahrscheinlich wirklich die absolute Abkapselung… Aber das war es dann tatsächlich auch schon von mir - vielen Dank nochmal, dass das geklappt hat!
T: Ja kein Problem, super geil, dass du das klar gemacht hast, ich freue mich sehr!
Felicitas Bär, 225. Block