Wie wird aus dem «Wovon wir leben» ein «Wofür wir leben»?
Abendveranstaltung mit dem Paul Zsolnay Verlag
Den Auftakt zu unserer (intern liebevoll genannten) «österreichischen Woche» bildete der Paul Zsolnay Verlag am 04. April 2023 mit Birgit Birnbacher und ihrem neuen Roman «Wovon wir leben».
Die Veranstaltung fand digital statt, was aber weder der Anzahl der Teilnehmenden noch der Qualität der Lesung einen Abbruch tat. Birnbacher erklärte augenzwinkernd, das läge daran, dass ihre Kopfhörer «schon Pandemie-erprobt» seien.
Die Lektorin Bettina Wörgötter eröffnete das Gespräch mit der Frage «Wie ist Birgit Birnbacher zum Schreiben gekommen?»
Birnbacher lächelt, ihr Weg zur Schriftstellerin sei eine Liebesgeschichte gewesen. Sie beschreibt, wie sie ihren Mann, der Lektor ist, kennengelernt hat und dieser sie ermutigte, bei einem Schreibworkshop ein Manuskript einzureichen. Die inzwischen mehrfach preisgekrönte Autorin (u.A. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis 2019) schmunzelt, dass sie zwar schon immer viel geschrieben habe, sich «aber nie anmaßen wollte, sich selbst Schriftstellerin zu nennen».
Bei der Frage nach ihrer Berufslaufbahn wurden die Teilnehmenden überrascht. Birnbacher brach mit fünfzehn die Schule ab und bereiste nach einer Lehre Indien und Äthiopien. Dort wurde ihr Wunsch nach sozialer Arbeit geweckt und sie begann das Studium mit 26 Jahren. Birnbacher erwähnt, dass sie viel parallel gemacht habe und dadurch berufliche Erfahrung sammeln konnte.
An dieser Stelle leitete Birnbacher zu einem versteckten Hauptthema ihres Romans über: «Was macht das, was wir tun, zu etwas Sinnstiftendem?»
Wörgötter umreißt den Inhalt des Romans, stellt die Protagonist:innen vor (Julia und Oskar) und erkundigt sich, ob Birnbacher eine Liebesgeschichte geschrieben habe. Birnbacher findet, «ohne eine Liebesgeschichte wäre es trist». Sie stellt die unterschiedlichen Erwartungen und Bedingungen Oskars und Julias heraus und betont, dass beide in ihrem Roman bereit für etwas Neues sind, dies aber völlig unterschiedlich angehen.
Birnbacher führt in eine Szene ein, die sie anschließend vorliest und die einen großartigen Vorgeschmack auf ihren literarischen und gesellschaftspolitischen Stil darstellt.
«Wir sind Begünstigte […], wir sind arbeitslos, aber wir sind es auch nicht, weil unser Denken weitergeht.»
Auf die Frage, wie sie begonnen habe antwortet Birnbacher, sie habe überlegt, warum wir es nicht schaffen würden, Digitalität als Erleichterung zu nutzen. Sie überlegte, wieso wir durch die technischen Neuerungen mehr statt weniger Arbeit und weniger Zeit für menschliche Kontakte haben. Dies ist eine der Fragen, denen sie im Buch nachspürt. «Woher hat sich der Mensch Energie für seine Arbeit geholt?»
Am Ende der Veranstaltung warfen Wörgötter und Birnbacher noch Anekdoten zur Titelsuche und zur Covergestaltung ein. Verlag und Autorin waren sich in diesen Punkten gar nicht einig. Ursprünglich war von Birnbacher wohl «Nach der Arbeit» als Titel angedacht und sie war anfangs enttäuscht, als der Verlag ihr vorgab, dass im Titel nicht das Wort «Arbeit» vorkommen solle.
Wörgötter schloss die Veranstaltung mit ein paar Details zum Zsolnay Verlag ab, dessen Gründer Paul Zsolnay den Anspruch hegte, die Autor:innen im ganzen Schreibprozess zu begleiten und Literatur gut zu entlohnen.
Herzlichen Dank dem Zsolnay Verlag und Bettina Wörgötter für die Moderation, Birgit Birnbacher für die vielen Einblicke in ihr Leben und Schreiben und allen zusammen für einen kurzweiligen und spannenden Abend.
Lea Erdmann, 227. Block